Ausstellung: Toulouse-Lautrec and the Pleasures of the Belle Époque
Datum: Feb 8 – Mai 6 , 2018
Museum: Canal de Isabel II Foundation , Madrid.
Ein frustrierter und erfolgloser Künstler klagte in einer Illustration in der politischsatirischen Wochenschrift Simplicissimus des Jahres 1910, inmitten seines chaotischen Familienlebens mit schreienden Kindern, auf dem Boden verstreuten Spielsachen und einer Ehefrau, die auf einer im Atelier gespannten Leine die Wäsche aufhängt, zu malen versucht, folgendes:
Wäre man Franzose, tot, pervers – oder am besten alles zusammen: ein toter, perverser Franzose – ja, dann könnte man leben!„
Der Gedanke der Unvereinbarkeit von Genius und Häuslichkeit war sicherlich nicht neu, doch zeigt der Ausspruch des Künstlers, wie schnell Geschichten über das turbulente Leben und den frühen Tod der beiden Maler Henri de Toulouse-Lautrec und Paul Gauguin zum Gegenstand volkstümlicher Legenden wurden. Mehr als viele andere trugen Lautrec, der im Jahre 1901 als 37-Jähriger und Gauguin, der als 55-Jähriger im Jahre 1903 starb, sowie Vincent van Gogh, gebürtiger Holländer und Wahlfranzose, dazu bei, die landläufige Meinung von einem Künstler des 20. Jahrhunderts zu prägen.
Obgleich die Idee vom Künstler als einem sich selbst zerstörenden Außenseiter am Ende des 19. Jahrhunderts mit Toulouse-Lautrec, Gauguin und van Gogh ihren Höhepunkt erreichte, lässt sich ihr Ursprung doch bis ins ausgehende 18. Jahrhundert zurückverfolgen, als politische, kulturelle und ökonomische Umwälzungen verändernd auf die Sichtweise der Künstler von sich selbst und ihre Beziehung zur Umwelt einwirkten. Im Jahre 1765 malte Maurice Quentin de La Tour, Pastellmaler im ,Ancien Régime’, sich selbst als hoffnungsvollen Höfling mit gepuderter Perücke, Samtjacke und gewinnendem Lächeln.
Sein Zeitgenosse Chardin stellte sich, wenn auch weniger selbstgefällig und praktischer gekleidet, ebenfalls als wohlwollendes und zufriedenes Mitglied der Gesellschaft von niedrigerem Rang dar. Aber zwei oder drei Jahrzehnte später war dieses wohlwollende Lächeln auf den Gesichtern der neuen Generation von jungen Künstlern wie Jacques-Louis David, Heinrich Füßli und William Turner verschwunden. Das waren junge Männer mit kompliziertem, ja sogar gestörtem Gemütsleben, deren wilder Blick dem Betrachter herausfordernd aus den Selbstporträts entgegensah.
Eine Verbindung zwischen den ärgerlichen jungen Männern der Romantik und den ,peintres maudits’ (den ,verdammten Malern’) des ausgehenden 19. Jahrhunderts bildete Gustave Courbet, der in den 1840er bis 1850er Jahren mit einer Reihe von Selbstporträts den Mythos des Künstlers als Außenseiter begründete, der dann in dem berühmten Bild Bonjour M. Courbet (Guten Tag, Monsieur Courbet) gipfelte.
Durch die unkonventionelle, bohemehafte Erscheinung und die arrogant-vornehme Körperhaltung, in der Courbet seinen wohlhabenden, bürgerlichen Gönner grüßt, stellt das Bild eine Verhöhnung gesellschaftlicher Gepflogenheiten dar. Toulouse-Lautrec gefiel sich ebenfalls in der Rolle des unkonventionellen Außenseiters und zelebrierte diese Haltung in einer Serie kunstvoll arrangierter Gruppenfotos, die ihn selbst mit seinen Freunden in unerhört geschmackloser Maskerade darstellen.
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